Tatiana Trouvé: I Tempi Doppi

Kat. Kunstmuseum Bonn

Ausstellungskatalog, hrsg. von Stephan Berg, Letizia Ragaglia, Ellen Seifermann
Texte (dt./eng.) von Stefan Gronert, Barbara Hess, Letizia Ragaglia sowie Interviews mit der Künstlerin von Richard Shusterman, Francesca Pietropaolo, Robert Storr und Stefan Gronert
168 S. mit 100 farbigen Abbildungen
Format 31 x 23,5 cm, Klappenbroschur

ISBN 978-3-86442-080-1

(vergriffen)

I Tempi Doppi

Die heute in Paris lebende italienische Künstlerin Tatiana Trouvé war neben zahlreichen größere Ausstellungen Teilnehmerin der São Paulo Biennale 2010 und 2007 der Biennale von Vendig. Die groß angelegte Präsentation ihrer stets ortsspezifisch eingerichteten Arbeiten in acht installativen Räumen im Kunstmuseum Bonn ist die erste Einzelpräsentation in einer deutschen Institution; die Shows in Bozen und Nürnberg werden davon völlig verschieden sein. Der Katalog zu diesen drei spektakulären Ereignissen will nun erstmals umfassend Überblick sowohl zu den Installationen und den großformatigen Zeichnungen geben. Auffällig im Werk der Künstlerin, die einen großen Teil ihrer Kindheit in Afrika verbracht hat, ist die minimalistische Manier in der simple Materialien wie Metallstücke, Steine, Stühle, Glas, Erde oder Wasser eingesetzt sind und in überraschenden Konstruktionen miteinander stets Erinnerung, Geschichte oder Poesie heraufbeschwören. Die Räume von Tatiana Trouvé präsentieren nie auf symbolische Weise etwas Abwesendes, sondern ziehen den Besucher konkret und leibhaftig in eine phantastisch wie imaginär aufgeladene Raumsituation, die zwischen Leichtigkeit und Monumentalität, Beständigkeit und Flüchtigkeit, Fiktion und Alltäglichkeit aufgehoben zu sein scheint. Sie selbst erzählt dazu eine kleine sehr aussagekräftige Geschichte: »In meiner Kindheit in Dakar klopften die Griots an unsere Haustür und erzählten uns die Geschichte unserer Ahnen, erklärten uns ihre Rolle im Dorf, ihre Berufe. In Wahrheit hatte das mit der tatsächlichen Geschichte unserer vierköpfigen, weißhäutigen, italienischstämmigen Familie nichts zu tun. Die Griots erzählten die Geschichte von Menschen aus einem Dorf, das am Ort unseres Hauses gestanden hatte, als ob die Vergangenheit eine Koexistenz oder ein Parallel-Leben zur gegenwärtigen Realität führte, ohne dass sich der geringste Widerspruch zwischen den beiden ergab. Diese ›oral history‹ sang das Hohelied der Chance, dass zwei Zeitlichkeiten in derselben Raum-Zeit nebeneinander bestehen können. Diese Einsicht öffnete mir die Tür in eine bislang unbekannte Dimension. Seither hat diese Idee mein Bewusstsein nicht mehr verlassen. Aus diesem Grund liebe ich Geschichten, die auf Räumlichkeiten Einfluss haben, in diese eingreifen.«

Ausstellungen:
Kunstmuseum Bonn, 30/1–30/5/2014
Museion Bozen, 23/5–6/9/2014
Kunsthalle Nürnberg, 13/11/2014–8/2/2015