Georg Baselitz: Sigmunds Höhle

Kat. CFA Berlin

Ausstellungskatalog, hrsg. von CFA Berlin
Text (dt./eng.) von Anselm Wagner
48 S. mit 32 farbigen Abbildungen
Format 32,5 x 23,5 cm, Hardcover

ISBN 978-3-86442-154-9

29,80 €

Malerei im doggystyle, sozusagen

Sofort los geht es im sehr lesenswerten Essay von Anselm Wagner mit einem kulturhistorisch höchst interessanten und satirisch angehauchten Parforceritt in die bildliche Denkwelt des großen deutschen Malers Georg Baselitz, und dabei vor allem in all die Verstrickungen und Historien, die das Thema seiner neuesten Werkserie bilden: »Sigmunds Höhle«. Schon der Titel legt eine haarsträubende Geschichte nah. So übersetzte der krebskranke Vater der Psychoanalyse, 82-jährig und von der Gestapo unter Hausarrest gestellt, 1938 gemeinsam mit seiner Tochter Anna ein französisches Buch über eine Chow-Chow-Hündin ins Deutsche, die wie er unter einem Karzinom in der rechten Rachenhöhle litt und mehrfache Operationen und Bestrahlungen über sich ergehen lassen musste, bis sie schließlich geheilt wurde; ein Happy-end also, das Freud bekanntermaßen verwehrt bleiben sollte. Das französische Original des Buchs stammte von Freuds Patientin, Freundin und Fördererin Marie Bonaparte, die ihm und der Familie dann zur Emigration verhalf.
Wie für viele Hundebesitzer sind auch die Beziehungen der Freuds zu ihren Vierbeinern widersprüchlich – Freud hatte nacheinander drei Chow-Chows, Anna einen Schäferhund. Einerseits, so Wagner, »verkörpern sie eine geradezu paradiesische, von der Kultur und dem von ihr bewirkten Unbehagen verschonte Existenz«, andererseits steht Freud und mit ihm die Psychoanalyse »in der materialistischen Tradition der Kyniker, der Hundephilosophen …, die ihre körperlichen Bedürfnisse hundegleich in aller Öffentlichkeit verrichteten, zivilisatorische Errungenschaften und Tabus verachteten und den platonischen Idealismus mit derbem Aktionismus bekämpften«. Und auch wenn Georg Baselitz, selbst Hundebesitzer, wie manche Fotos in diesem Buch dokumentieren, »Hunde oder andere Tiere malt, dann gehören sie zunächst wie Landschaften, Stillleben, Akte und Porträts zu den konventionellen, ›banalen‹ Themen, die möglichst wenig von der Malerei als solcher ablenken sollen«. Doch treibt der Maler andererseits allerlei Schabernack mit solch grandiosen Einfällen wie einer Art »Bildloch« in der Mitte dieser Hundporträts oder dem Wolkenbandornament, das er um den Unterleib der Hunde als Schürze bindet, »deren Muster nicht von ungefähr an einen Anus oder eine Vulva erinnert«.

Ausstellung:
CFA Contemporary Fine Arts Berlin: 1/10–14/11/2015