Shaan Syed: Catalogue

Kat. Kunsthalle Winterthur

Ausstellungskatalog, hrsg. von Oliver Kielmayer
Text (dt./eng.) von Oliver Kielmayer
128 S. mit 322 farbigen Abbildungen
Format 29 x 22,5 cm, Klappenbroschur

ISBN 978-3-86442-144-0

(vergriffen)

Stagediving

Am Anfang von Oliver Kielmayers einleitendem Beitrag über den Werdegang des kanadisch-britischen Künstlers Shaan Syed steht eine komische und zugleich aufschlussreiche Geschichte, die über diesem tableauartigen Buch zu seinem gesamten bisherigen Werk, seit dem Abschluss des Goldsmith Colleges 2006, zu stehen scheint. In den 1990er Jahren besuchte der Künstler ein Konzert von Sinéad O’Connor und postierte sich nach Einlass unmittelbar vor der Bühne. Sinéad O’Connor bekam er dort aber leider so gut wie nie zu sehen, weil sie kaum einmal vorne an den Bühnerand trat; und weiter nach hinten konnte er nicht mehr, weil er gegen den Strom der Zuschauermenge nicht ankam. Dieses Erlebnis zeitigte jedoch eine Bildidee, die sich unmittelbar auf den ungewollten Anblick der »leeren« Bühne bezog und Kielmayer zufolge für das generelle Vorgehen von Shaan Syed steht. So kann man zwar »ästhetische Erfahrung … kaum mit einem Konzertbesuch, einem LSD-Trip oder religiöser Erleuchtung gleichsetzen; und doch ist all diesen Erfahrungen der Kontakt zu einem Jenseits gemein, das sich nicht ausschließlich kognitiv oder sprachlich erfassen lässt und das gleichzeitig emotionale Rückwirkungen im Diesseits produziert. Es ist kein Zufall, dass Syeds Formfindungen mitunter an abstrakte Varianten der indischen Tantra-Malerei erinnern. In dieser jahrhundertealten Tradition dient das Bild weder der Belehrung noch der Dekoration, sondern ist Anlass zum Übertritt in eine geistige Sphäre. Lässt man den beim Tantra wichtigen Zweck meditativer Versenkung beiseite, so entspricht dieses Konzept sehr präzise dem, womit sich die künstlerische Moderne seit Beginn des 19. Jahrhunderts beschäftigte und wofür sie schließlich das Stichwort der Autonomie prägte: die Ablehnung der Darstellungsfunktion, verbunden mit einer Betonung der Eigenwertigkeit des Bildes. Diese Autonomie der Kunst bedeutet vor allem, dass sie sich in grundsätzlich jeder Form mit grundsätzlich jedem Inhalt beschäftigen darf; gleichzeitig impliziert sie jedoch auch, dass ein Kunstwerk bei aller Wahlfreiheit bezüglich Inhalt und Form wenigstens ästhetische Erfahrung ermöglichen muss.«

Ausstellung:
Kunsthalle Winterthur, 27/9–22/11/2015