Wozu Bilder?

Gebrauchsweisen der Fotografie. Kat. Villa Merkel, Esslingen

Ausstellungskatalog, hrsg. von Andreas Baur, Bernd Stiegler, Felix Thürlemann
Texte (dt.) Projektseminar Universität Konstanz unter Leitung von Bernd Stiegler und Felix Thürlemann
304 S. mit 250 farbigen Abbildungen
Format 25 x 23,5 cm, Hardcover

ISBN 978-3-86442-076-4

48,00 €

 

 

Ein neuer Blick auf die Geschichte der Fotografie

Dieses Buch zur Ausstellung in der Villa Merkel in Esslingen ist ein Novum, es startet erstmals den Versuch, anhand historischer Fotografien, die vor 1920 entstanden sind, die traditionelle Betrachtungsweise hinter sich zu lassen und den jeweiligen funktionalen Kontext zu fokussieren. In den letzten Jahren gab es keine seriöse Darstellung der Fotografie ohne den Hinweis auf ihren dokumentarischen Charakter und auf Roland Barthes’ »So ist es gewesen«. Ja, selbst für die Kunst wurde dort noch ein dokumentarischer Charakter konstruiert, wo die Abbildungen längst schon digital waren oder der Manipulation durch diverse Bildprogramme unterlagen. Nicht erst hier zeigte sich, dass die dokumentarische Funktion des Bildes in höchst heterogene und oftmals überraschende Anwendungsbereiche eingebettet ist – anhand einer Fotografie etwa kann jemand erinnert oder auch polizeilich gesucht werden. Da scheint es gerade jetzt, wo die Entwicklung zeitgenössischer Fotografie auf der Stelle zu treten scheint, nahe zu liegen, die Bilder einmal ganz einfach danach zusammenzustellen, wofür sie gebraucht und verwendet wurden. Dazu müssen die Gebrauchsweisen natürlich historisch präzise und ohne jede Dominanz einer aus der Gegenwart stammenden Perspektive beschrieben und typologisch sondiert wie sortiert werden. Der voluminöse Band leistet genau dies und zeigt, welch mitunter merkwürdige, rätselhafte und auch kuriosen Ziele im Laufe der Geschichte mit der Fotografie verfolgt wurden. Ein Beispiel für die vielfältigen und wandelbaren Verhältnisse, die durch Fotografie hergestellt werden können, ist die Ablichtung von Tieren. Eine besondere Rolle spielten lange die Aufnahmen von Zuchterfolgen. Ein meist männliches Tier – Hengst, Bulle oder Bock – wurde in lateraler Pose vor einem weißen Tuch vorgeführt, sodass seine Rassemerkmale im Profil besonders deutlich lesbar wurden. Die preisgekrönten Tiere mussten zu Bildern werden, damit sie für spätere Züchter zu Vorbildern werden konnten. Für solcherlei Erkenntnisgewinn hält der Band viele Beispiele aus der Welt der Natur, der Welt des Menschen und der Welt der Artefakte bereit und wird dadurch zu einer Entdeckungsreise, auf der die Welt der Fotografie nochmals ganz neu zu entstehen scheint.

Ausstellung:
Villa Merkel, Esslingen, 15/12/2013–16/2/2014
Kunstmuseum Jena, 13/12/2014–1/3/2015