Darren Almond: Nocturne

Kassette, hrsg. von Andreas Baur
Texte (dt./eng.) von Andreas Baur, Tim Ingold, Johannes Meinhardt
3 Leporellos mit 18, 6 & 32 S., zwei klammerstichgeheftete Broschüren mit jeweils 44 S., insgesamt 400 farbige Abbildungen
31 x 30,5 cm, Kassette

ISBN 978-3-940953-91-9

78,00 €

Ein ungewöhnlicher Künstler mit einem sagenhaften Werk

Zweifelsohne ist der 1971 geborene Darren Almond einer der herausragenden englischen Gegenwartskünstler; das beginnt mit seiner Teilnahme 1997 an der legendären Ausstellung Sensation, dem Start der Young British Artists, führt 2003 in den Pavillon der Biennale von Venedig und 2005 zur Nominierung für den Turner Prize.
Von Glück kann also sagen, wem es vergönnt war, die einfühlsame und konzentrierte Werkschau in der Villa Merkel in Esslingen im Sommer 2011 zu sehen. Großformatige Nachtstücke (2004–2010) leihen der Publikation wie schon der Ausstellung mit Nocturne den Titel und zeigen unter Vollmond mit langer Belichtung fotografierte Landschaften, die in ihren europä­ischen Varianten Landschaften der Romantiker, in ihren asiatischen Motiven klassisch japanische wie chinesische Landschaftsmalerei aufrufen. Die Schattenlosigkeit dieser Aufnahmen ist sichtbarer Beleg einer wie eingefroren wirkenden Zeit, deren summiertes Licht die Szenerien nicht beleuchtet, sondern wie eine Emanation der Landschaft, eine flüchtige Substanz, auf den offenen Flächen liegt. So nehmen diese Fotos Platz an einem eigentümlichen Kreuzungs­punkt von Malerei und Fotografie sowie Wahrnehmung und Imagination. Wo die Fotoarbeiten Zeit zum Maßstab ihrer perfekten Entstehung werden lassen, formuliert der Künstler mit der gewaltigen Videoarbeit Sometimes Still (2010) Zeiterfahrung als eine endlose Wiederholung aufreibender wie langwährender Exerzitien. Darren Almond war es nämlich erlaubt, einen Mönchsnovizen der buddhistischen Tendai-Schule bei einem nächtlichen Langstreckenlauf über 30 Kilometer durch ein Waldgebiet entlang des heiligen Berges Hiei mit der Kamera im Laufschritt zu folgen, eine aske­tische, zugleich physische wie geistige Übung der größten Härte, die der Novize über sieben Jahre verteilt 1000-mal zu wiederholen hat. Dabei hat er immer wieder an genau bezeichneten Stellen anzuhalten und Gebete zu sprechen, die er mit zweimaligem Klatschen beendet.
Das Besondere der vorliegenden Publikation in Kassettenform gilt der individuellen Aus­füh­rung der einzelnen Arbeiten, mal als Leporello, mal als einfaches Heft. So ­werden alle ausgestellten Fotos adäquat abgebildet und erhält insbesondere auch der Film eine Publika­tionsform, die als ein Spiegel der Erfahrungen des Künstlers verstanden werden kann.

Ausstellung:
Villa Merkel, Städtische Galerien der Stadt Esslingen, 29/5–21/8/2011